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Sucht Ihr eine Idee für ein Geschenk? Ich hätte eine Buchempfehlung, die sich als Geschenk wunderbar eignet, jedoch ist es auch interessant zum selbst Lesen.
Colin Toibin: Der Zauberer,
560 Seiten, Hanser Verlag 978-3-446-270893


Peter de Mendelssohn schrieb 1975 bereits eine Biographie mit dem Titel „Der Zauberer“ leider nur Band 1, danach verstarb der Autor, das Vorhaben blieb unvollendet.
Marcel Reich-Ranicki schrieb „Thomas Mann und die Seinen“ eine außerordentliche Birgraphie über die Familie Thomas Mann. Jetzt erschien im November ein Roman von Colin Toibin mit dem Titel: „Der Zauberer“.
Dieser Roman handelt ebenfalls von Thomas Mann und dessen Familie. Kann ein Ire einen lesenswerten Roman über Thomas Mann schreiben? Er kann. Colin Toibin hat sich lange mit diesem Thema beschäftigt und auf über 500 Seiten ein facettenreches Bild über Thomas Mann, seine Familie und die politischen Umstände dargestellt.
Das Buch beginnt in Lübeck, wo die Familie Mann stadtbekannt war. Weiter folgen wir ihm nach München wo Thomas Mann in der feinen Münchner Gesellschaft Aufnahme findet und Katia Pringsheim heiratet und Vater von sechs Kindern wird. Toibin schreibt über das literarische Schaffen Thomas Manns, der Entstehung seiner Werke, seinen exzentrischen Kindern, sein schwieriges Verhältnis zu seinem Bruder Heinrich. Wir erleben den Wandel seiner politischen Einstellungen und folgen ihm über die Schweiz ins Exil nach Amerika während des 2. Weltkrieges.
Toibin hält sich möglichst nah an die Fakten. Er imaginiert jedoch die Gedanken und Unterhaltungen mit der Familie und vor allem mit Katia, Manns großer Stütze. Sie hält die Familie zusammen, weiss von der heimlichen Homosexualität ihres Mannes. Sie unterstützt und motiviert ihn, sich zur politischen Lage zu äußern, auch vom Exil aus Stellung zu beziehen. Vor allem von der über fünfzig Jahre währenden Ehe mit Katia zu erzählen, empfand Toibin als Herausforderung. Die beschriebene Gefühlswelt Thomas Manns und die Dialoge lassen den Roman lebendig werden und man vermeint die dargestellten Personen besser kennenzulernen. Dieser lesenswerte Roman zeigt auch Manns Zerrissenheit und dadurch wird er ein wenig nahbarer geschildert. Wir bekommen eine Ahnung von Emotionalität eines oft kühl wirkenden Thomas Mann.
Man kann diesen Roman auch als spannende Familiengeschichte lesen, wäre da nicht der „größte lebende Literat seiner Zeit“, wie er im Roman mehrmals genannt wird. Ganz am Ende des Romans kehrt Thomas Mann nach Lübeck zurück und besucht ein letztes Mal das Familienhaus. Ganz allein steht er davor, betrachtet die mit Brettern vernagelten Fenster und hängt seinen Erinnerungen nach - ein alter Mann vor einem zerstörten Haus -ein starkes Bild.
Cornelia Schmidt Distriktredakteurin Distrikt 88